Unser mittleres Selbst ist die ausführende Instanz unseres Ichs, bestimmt das Ausmaß des Einflusses, den unser inneres Selbst auf unser tatsächliches Handeln hat. Wie weit die Maschen dieses Netzes sind, entscheiden wir im Idealfall ganz bewusst. Es hängt davon ab, welche Bedeutung wir der Entscheidung oder Handlung beimessen, ob wir uns ihr stellen können und wollen, oder völlig überfordert sind.
Lange Zeit ging man davon aus, dass unser Leben von unserem mittleren Selbst, unserem Wach- oder auch rationalem Bewusstsein gelenkt wird. Doch weit gefehlt.
Wie oft nehmen wir uns ganz bewusst, in unserem mittleren Selbst voller Elan etwas vor, ohne es dann auch wirklich umzusetzen? Wir wollten mehr Sport treiben und uns gesünder ernähren? Wollten uns mehr um unsere Partner/-in und die Kinder, um die Umwelt kümmern? Wollten wieder Schwung in unsere Partnerschaft bringen oder uns einen neuen Partner suchen? Wollten so richtig Kariere machen oder uns einen neuen Job suchen?
Wir wollen so viel. Und stoßen doch immer wieder an ungeahnte Grenzen, finden Ausreden und Ausflüchte. Weil uns unser inneres Selbst, unser Unterbewusstsein, einen Strich durch die Rechnung macht. Ertappen wir uns dabei, entscheidet unser Ego über die Reaktion. Der eine wird mürrisch und wütend, konstruiert sich im mittleren Selbst Rechtfertigungen, warum er das Gewollte dann doch nicht umsetzen konnte. Der andere fühlt sich kraftlos und leer.
Manchmal ärgert sich unser mittleres Selbst über jemanden oder etwas, ohne überhaupt zu wissen warum. Bis hin zu Aggressionen dem Partner oder den Kindern, den Kollegen oder uns selbst gegenüber.
Wozu brauchen wir dann überhaupt unser mittleres Selbst, unser Selbstbewusstsein, wenn es in Wirklichkeit doch so wenig Einfluss auf unser Denken und Handeln hat?
Die letzte Instanz
Unser mittleres Selbst ist das Netz, das die Vorstellungen unseres inneren Selbstes passieren müssen.
Ist eine Entscheidung in unseren Augen weniger wichtig, sind wir gerne bereit, unserem inneren Selbst zu folgen. Die Maschen unseres Netzes sind sehr weit. Unser inneres Selbst darf entscheiden. Wir agieren intuitiv, ohne über das was wir tun nachzudenken.
Müssen wir jedoch eine uns sehr wichtige Entscheidung treffen und fühlen uns ihr gewachsen, übernimmt unser mittleres Selbst die Kontrolle. Die Maschen des Netzes werden eng. Manchmal so eng, dass von dem, was unser inneres Selbst tun würde, gar nichts mehr in die Entscheidung einfließt. Wir denken und grübeln, was und wie es wohl richtig wäre. Suchen nach möglichst vielen Informationen, um uns irgendwie abzusichern. Ignorieren unser Bauchgefühl, schieben es ganz bewusst in den Hintergrund, bis es zu einem Grundrauschen verkümmert.
Fühlen uns von der anstehenden Entscheidung völlig überfordert, sehen uns nicht in der Lage, eine bewusste Entscheidung zu treffen, ergeben wir uns dem Druck unseres inneren Selbstes. Die Maschen unseres Netzes werden wieder sehr weit. Wir ignorieren die Einwände unseres mittleren Selbstes und treffen eine nur auf unser Bauchgefühl beruhende Entscheidung.
Die Kunst besteht darin, in unserem mittleren Selbst die Existenz unseres inneren Selbst anzuerkennen, ihm realistische Beachtung zu schenken.
Ziel ist ein ausgewogenes Verhältnis der Impulse aus mittlerem und innerem Selbst, die Beteiligung beider an unserem Denken und Handeln. Die bewusste Auseinandersetzung im mittleren Selbst mit dem, was unser inneres Selbst für richtig hält. Wohl wissend, das sich auch unser inneres Selbst, geprägt aus Erziehung und bisher Erlebtem, irren kann.
Wenn es uns gelingt, in unserem mittleren Selbst die Vogelperspektive, die Rolle eines Beobachters des Zwei-Seins aus mittlerem und innerem Selbst einzunehmen, weicht die Anspannung. Wir können ganz bewusst Kontakt zu unserem inneren Selbst aufnehmen und gelassen die richtigen Entscheidungen treffen. Glücklich werden und bleiben.